Was heißt Plantbased Diet? (1/3) – Warum wir essen, wie wir essen
Aktualisiert: 10. Juli
Teil 1 der Serie "Vorwiegend vollwertig pflanzliche Ernährung (WFPB-Diet)" erklärt, wodurch unser Ernährungsstil bedingt wird.
Viel Spaß beim Lesen, …
"Alles, was an Bäumen, Sträuchern, am Boden und auch im Meer wächst, möglichst in der Form, wie es geerntet oder gepflückt wurde."
Das ist einfach ausgedrückt die Antwort auf die Frage, welche Lebensmittel eine "Whole Food Plantbased Diet" (WFPB-Diet) beinhaltet. Will man Plantbased Diet deutsch übersetzen landet man bei "Ernährung, die auf vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln basiert". Im Laufe der Artikelserie verwende ich daher vorwiegend Plantbased Diet.
Pflanzlich – oder pflanzendominiert – ist selbsterklärend. Jegliche Form veganer Ernährung erfüllt dieses Kriterium. Zum Verarbeitungsgrad der pflanzlichen Lebensmittel wird dadurch noch keine Aussage getroffen.
Das übernimmt der Zusatz "vollwertig". Bei einer Plant Based Diet wird also zusätzlich versucht, den Verarbeitungsgrad der beinhalteten Lebensmittel so gering wie möglich zu halten.
Gesunder Lebensstil statt Diät
Beziehen wir nun noch Bereiche mit ein, die über die Ernährungsform hinausgehen, sprechen wir von einem "Lifestyle" – deutsch "Lebensstil".
Eine vollwertig pflanzliche Ernährung und ein Plantbased-Lifestyle sind also technisch nicht exakt das Selbe, werden aber an vielen Stellen dennoch synonym verwendet.
Das mag zum einen daran liegen, dass der Begriff "whole" – deutsch "ganzheitlich" – meistens sehr breit ausgelegt wird. Beispielsweise kann darunter auch der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper, mit unseren menschlichen und nichtmenschlichen Nachbarn, oder unserem Planeten als Ganzes verstanden werden.
Zum anderen soll mit dem Begriff Lebensstil deutlich gemacht werden, dass das Konzept der Plantbased Diet nicht dem einer üblichen Diät entspricht.
Letztere definieren wir durch Restriktionen bezüglich Kalorienziel, Zeitfenster in dem gegessen werden darf, Zusammensetzung der Makronährstoffe – Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß – im Ernährungsmuster oder ein Verbot bestimmter Lebensmittel.
Eine Diät ist meist auf einen feste definierten Zeitraum begrenzt, an dessen Ende zu oft der Schritt zurück zur Ausgangsernährung steht.
Die Plant Based Diet hat dagegen keinen Endpunkt in diesem Sinne.
Das Ziel lautet, dem Körper jeden Tag zu geben, was er braucht und Ernährungsregeln sind nicht auf Basis von Verboten formuliert.
Die Devise lautet vielmehr: "Iss soviel unverarbeitetes Gemüse, Obst, Getreide und Hülsenfrüchte wie du kannst. Immer dann, wenn du hungrig bist und solange bis du satt bist."
Ein Blick zu unseren Vorfahren zeigt, dass diese Devise nicht neu ist. Bis vor wenigen Generationen lebten die meisten Menschen fast ausschließlich von selbstangebauten vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln.
Alleine schon wegen ihres Preises waren verarbeitete Produkte und Lebensmittel tierischen Ursprungs.
Wenn das stimmt, warum hört man nichts davon?
Eigentlich müsste die Frage lauten: "Warum will es keiner hören?" Denn wenn du denkst, die vollwertig pflanzliche Ernährung sei eine weitere "Wunderdiät" aus den Tiefen des Internets, muss ich dich enttäuschen:
Die Maximen einer Plantbased Diet überschneiden sich zu großen Teilen mit den Empfehlungen vieler nationaler Ernährungsverbände – auch mit denen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Zwar empfiehlt die DGE auch Fleisch, Fisch und Milchprodukte in moderaten Mengen, den Löwenanteil einer gesunden Ernährung machen aber auch hier vollwertig pflanzliche Lebensmittel aus¹.
Warum die Deutsche Gesellschaft für Ernährung keine komplett vegane vollwertig pflanzliche Ernährung empfiehlt lässt Raum für Spekulationen.
Ernährungsrichtlinien müssen in jedem Fall für die gesamte Bevölkerung gelten. Das heißt auch für all diejenigen, die sich keinen Gedanken darüber machen, was sie essen.
Und es steht nunmal außer Frage, dass eine schlecht geplanten Ernährung unabhängig der Ernährungsform zu Mängeln führt.
Mithilfe der tierischen Produkte, die unsere Lebensmittelumwelt dominieren, können die schlimmsten Mängel bei unbedachten Ernährung verhindert werden–Auf Kosten negativer Langzeitfolgen.
Für mehr Informationen zu diesem Thema kann ich dir ein Video des Ernährungswissenschaftlers Niko Rittenau empfehlen. Darin bespricht er differenziert die Position der DGE zu veganer Ernährung.
An dieser Stelle aber zumindest der Hinweis, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, 70-80 % der täglichen Kalorienzufuhr aus vollwertig pflanzlichen Lebensmittel zu decken.
Keine große Differenz zur WFPB-Diet, oder? Der wahre Unterschied besteht viel mehr zwischen der Empfehlung und dem, was dann tatsächlich auf deutschen Tellern landet.
Denn viel zu häufig setzen wir Ernährung mit Genuss und Belohnung gleich. Gelegentlich ist das auch wichtig. Aber Ausnahmen sollten nicht zur Regel werden.
Um den Zusammenhang zwischen unserer Gesundheit und unserer Ernährung zu erkennen müssen wir lernen, unseren Fokus weniger auf das einzelne Gericht vor uns auf dem Teller zu legen und stattdessen die Summe aller Teller gesamtheitlich zu betrachten.
Bekommt der Körper in der Regel was er braucht, wird er gelegentlich auch mit Ausnahmen fertig.
Wenn Ausnahmen zur Regel werden
Wenn wir unsere Umwelt genauer betrachten wird ganz schnell klar, warum es schwer ist, manche Dinge umzusetzen, obwohl wir wissen, dass sie gut für uns sind.
Von morgens bis abends, Tag ein Tag aus sind wir von Werbung umgeben. Und alle diese Reize haben ein gemeinsames Ziel: wir sollen mehr konsumieren. Daran arbeiten gut bezahlte und gut ausgebildete Menschen. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die menschliche Psychologie werden genutzt, um in uns den Drang nach mehr zu befeuern.
Eine beliebte Masche ist es, Lebensmittel von fraglichem Gesundheitswert mit positiven Emotionen zu verknüpfen. Wie wäre es mit einem ganz einfachen Test? Dafür machst du einen Tag lang Fotos und Screenshots aller Werbetafel, Banner und Videos, die dir das "Good Life" anpreisen, das du dir so sehr verdient hast. Am Abend wertest du dann aus.
Das Gefährliche an dieser Definition von "gutem Leben" – dem mehrmals täglichen "belohnen" mit Lebensmitteln – ist, dass sie krank macht. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Epidemie an chronischen Erkrankungen, die in westlichen Industriestaaten zu beobachten ist.
Und nicht nur dort: Nachdem die westliche Lebensmittelindustrie mit McDonalds, Snickers und Pepsi in einem Land Einzug gehalten hat, treten plötzlich auch hier – mit einem Versatz von 30 bis 40 Jahren – die typischen Krankheitsbilder unserer Überflussgesellschaft auf.
Ich entscheide was mir schmeckt! Oder nicht?
Kein Mensch lässt sich gerne etwas vorschreiben. Das gilt insbesondere beim Essen. Denn wir alle tun es. Und zwar gerne. Sogar so gerne, dass es zum Teil unserer Persönlichkeit wird.
Wenn unsere Glaubenssätze dann mit Fakten kollidieren, verfallen wir schnell in eine Abwehrhaltung, oder fühlen uns gekränkt. Wir berufen uns auf unseren Geschmack und dessen Individualität. Aber stimmt das wirklich?
Sätze wie "Ich könnte nie vegetarisch leben, weil mir dieses Essen nicht schmeckt" tragen schon eine gewisse Ironie in sich. Denn damit schreiben wir unsere Ernährungsweise ausschließlich unserem freien Willen zu.
Ob ein bestimmtes Lebensmittel attraktiv für uns ist oder nicht, unterliegt aber vielen weiteren Einflüssen: Werbebotschaften, unserer Erziehung, unserem Umfeld und der Kultur, in der wir aufgewachsen sind.
Somit entscheiden wir uns auch nicht bewusst für die Lebensmittel, die uns schmecken, sondern unser Geschmack wird vielmehr von der Lebensmittelumwelt "programmiert", in der wir uns befinden.
Das heißt nicht, dass Geschmäcker nicht verschieden sind. Das ist unumstritten. Wenn wir uns jedoch von der Idee lösen, unsere aktuelle Ernährungsweise sei mit unserem Charakter verknüpft, sind wir offen für Neues und eine Umstellung fällt uns leichter.
Erkennen wir an, dass sich ein Ernährungsmuster einst unterbewusst eingebrannt hat, eröffnet uns das die Möglichkeit, uns bewusst für ein anderes zu entscheiden.
Und die gute Nachricht lautet: Auch dieses fühlt sich nach kurzer Zeit wieder ganz normal an.
Evidenzbasiertes gesundes Ernährungsmuster
Bleibt die Frage, mit welchem Ernährungsmuster wir unser bisheriges Ernährungsmuster ersetzen wollen?
Am liebsten natürlich mit einem, das die Gesundheit fördert.
Um dieses Ernährungsmuster zu finden, können wir uns an bereits bestehenden Ergebnissen der Wissenschaft bedienen.
Denn diese Ergebnisse sind eindeutig – Auch wenn das auf Facebook gerne anders dargestellt wird.
Die wissenschaftliche Methode ist evidenzbasiert. Das heißt, ihre Ergebnisse sind beweisbar und reproduzierbar. Sie zeigt Fakten auf und bleibt von Präferenzen unberührt.
Dabei wird es immer einzelne Studien und Untersuchungen geben, die sich widersprechen. Dafür kann unter anderem der Aufbau der Untersuchung sorgen.
Deshalb ist wichtig, die Gesamtheit der Studienlage zu betrachten und sich nicht etwa auf einzelne Studien zu fixieren. So fällt auf, dass entgegen des wirren Bilds, das in den Medien über eine gesunde Ernährung gezeichnet wird, die überwiegende Beweislast eindeutig ist:
Menschen sind umso gesünder, je mehr (unverarbeitete) Pflanzen sie essen.
Eine kompetente Entscheidung setzt Aufklärung voraus, wie sie durch Wissenschaft und Forschung erfolgt. Denn nur wer die Faktenlage kennt, kann sich dazu entscheiden, entweder den abgeleiteten Empfehlungen zu folgen, oder diese zu ignorieren.
Natürlich gibt es dabei nicht nur schwarz oder weiß. Ich kann 80 % den Fakten folgen und 20 % meiner Ernährung können trotzdem aus "Belohnungen" bestehen.
Ohne das Vorwissen dazu, welche Lebensmittel auf welche Seite gehören, treffe ich diese Entscheidung womöglich aus falschen Überzeugungen. Oder ich treffe sie gar nicht und Andere entscheiden für mich.
Nach meiner persönlichen Einschätzung fehlt im Moment eine öffentliche Instanz, die der Breite der Bevölkerung den übergeordneten Konsens einer gesunden Ernährung vermittelt.
Ernährungsbildung findet fast ausschließlich in den Medien statt. Statt Ärzten und Wissenschaftlern, die der Allgemeinheit Fakten zu Gesundheit und Ernährung erklären, wird das Feld stattdessen von Journalisten und Influencern beherrscht, die ihr Geld damit verdienen, sensationelle Neuigkeiten zu berichten und Produkte zu vermarkten.
In diesem Umfeld wird Ernährung nur zum Thema, wenn es etwas Neues zu berichten gibt. Umso besser, wenn das Thema auch noch polarisiert.
Ein Bericht über die 700. Studie, die besagt, wie gesund doch Gemüse ist, verfehlt diesen Zweck. Viel interessanter sind da die letzen Zahlen darüber, wie schlecht es um die Gesundheit unserer Gesellschaft steht. Oder die Veröffentlichung einer neuen Studie, als deren Ergebnis ein weiterer isolierten Nährstoff zum Wundermittel oder tödlichen Gift erklärt werden kann.
Und unterdessen reibt sich der nächste Gesundheitsguru auf Instagram die Hände, während er sein Nahrungsergänzungsmittel mit dem vermeintlichen Gegengift vermarktet.
Ohne Blick fürs große Ganze, abgehängt von der überwältigenden Vielzahl abstrakter Nährstoffe und ohne Vertrauen in die Signale des eigenen Körpers gibt ein Teil von uns jeglichen Versuch gesunder Ernährung auf.
Warum nicht gleich nur essen, was mir schmeckt, wenn das Scheitern sowieso vorprogrammiert ist?
Andere wiederum stürzen sich in eine Welt aus Supplementen und Gesundheitsbüchern, in der die Angst vor Nährstoffmängeln den Spaß am Essen verdrängt.
Was also tun? Uns allen kann es nur helfen, wenn wir uns darauf zurück besinnen, Lebensmittel als Ganzes zu sehen, statt als eine Sammlung von (Mikro-) Nährstoffen.
Diese "echten", vollwertigen Lebensmittel sind es die unsere Organismus braucht und die wir ihm mit einer Plantbased Diet geben.
¹die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine gesunde Ernährung findest du hier.
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