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Zwei Schritte vor, einer zurück – Gedanken zu Fortschritt, Selbstliebe und Statistik

Aktualisiert: 10. Juli




Jetzt mal ehrlich: Ernährung-, Gesundheits- und Fitnessinhalte im Internet sind meist einschüchternd.


Warum sagt das jemand, der selbst solche Inhalte veröffentlicht? Ganz einfach. Weil es mir fast täglich genauso geht. Auch mit einer Fachausbildung im Lebenslauf.


In diesem Bewusstsein schreibe und gestalte ich meine Inhalte. Immer klappt das wahrscheinlich nicht. Ich kann mir gut vorstellen, wie dir die Tipps und Regeln in meinen Posts manchmal den Eindruck vermitteln können, nie genug zu machen und dazu noch alles falsch.


Denn wie gesagt: Mir geht es regelmäßig so beim Lesen der Inhalte vieler Experten.


Was ich dabei beobachtet habe ist, dass es vor allem die Menge an ständig neuen Fitnesshacks ist, die in mir diese Gefühle auslöst. Womöglich hast du auch manchmal das Gefühl, der Tag müsste 48 Stunden haben, um all die Kleinigkeiten umzusetzen, die so wichtig für unsere Gesundheit sein sollen.


Um das zu verhindern, strapaziere ich immerzu die "großen Brocken", bis diese abgetragen sind wie dein Lieblingssweater: mehr Gemüse, mehr Sport, mehr Entspannung, besserer Schlaf.


Diese Prinzipien sind natürlich weder sexy, noch neu. Aber sie funktionieren. Und da sie mehr oder weniger bekannt sind, hoffe ich damit weniger Druck bei dir aufzubauen.


Am Ende können die neuesten Erkenntnisse aus dem Gesundheitsinternet aber noch so sensibel formuliert sein. Zumindest bei mir kommt nämlich eine weitere Eigenschaft dazu, mit der ich mich selbst sabotiere:


Meine Alles-oder-Nichts-Mentalität!


Mit selbst auferlegter Versprechen und Regeln – "Ich esse nur noch clean" oder "Ab morgen gehe ich jeden Tag laufen" – mache ich mir auch ohne Unterstützung von außen das Leben schwer.


Mit unermüdlicher Regelmäßigkeit tappe ich in diese Falle, obwohl ich doch weiß, dass derartige Versprechen unweigerlich platzen.


Mit realistischen Zielen kannst du vermeiden, in die gleiche Falle zu tappen wie ich. Ein Vorsatz, wie ab morgen jeden Tag laufen zu gehen, ist für die meisten von uns nämlich vor allem eins: überwältigend.


Die Energie, die diese Aufgabe erfordert, ist gewaltig und so auch die Chance, dass wir es erst gar nicht erst versuchen.


Ein realistisches und faires Ziel berücksichtigt immer unseren individuellen Status quo. Wenn ich seit Wochen nicht mehr aktiv war, kann das für mich erstmal "nur" heißen, jeden zweiten Tag in "Running-Gear" eine halbe Stunde lang um den Block zu marschieren.


So gelingt der Einstieg. Ein echter Erfolg, der gefeiert werden darf. Dann erst ist es an der Zeit, neue Ziele zu finden. So zumindest die Musterlösung …


Doch auch hier hat meine Alles-oder-Nichts-Mentalität oft andere Pläne.


War sie bei der Zielsetzung ausnahmsweise mal unter Kontrolle, verleitet sie mich – nachdem ich ein Ziel erreicht habe – dieses kurzerhand nach oben zu korrigieren. Und schon erwische ich mich wieder dabei, wie ich mich für mein Versagen niedermache, anstatt einen echten Erfolg zu feiern.


Natürlich muss ich mir an dieser Stelle die Frage gefallen lassen, warum ich es trotzdem mache, wenn ich es doch weiß. Falls es dir manchmal ähnlich geht, kannst du sicher nachvollziehen, warum das nicht immer so einfach ist.


Auch gut und fair zu sich selbst zu sein erfordert Übung. Aber wir können es lernen. Zum Beispiel indem wir uns auf die Fortschritte fokussieren, die wir gemacht haben.


Zwischen unserem heutigen Ich und unserem Zielzustand liegt ein Weg. Und genau wie auf deiner letzten Wanderung im Harz, besteht auch dieser metaphorische Weg aus vielen kleinen Schritten. Diese bauen aufeinander auf und greifen ineinander. Bis sie am Ende unseren Zielzustand formen.


Diese Schritte, die zu unserem großen Ziel – unserem "Makroziel" – führen, gilt es zu finden. Sie beschreiben unseren individuellen Weg, der – so ausgelutscht es klingt – nun mal das Ziel ist.


Denn auch beim Wandern in der Natur freuen wir uns schließlich über die Anstiege, die Ausblicke und die Gerüche unterwegs und wollen nicht nur möglichst schnell wieder am Auto ankommen.


Deshalb versuche ich auch auf meinem Weg zu mehr Fitness, oder einer gesünderen Ernährungsweise, Schritte und Zwischenetappen zu feiern, die ich erreicht haben. Falls ich feststelle, dass mir die Schritte absolut keinen Spaß machen, waren es vielleicht (noch) nicht die richtigen und ich suche mir andere.


Gerade wenn dein Makroziel grob in den Bereich Gesundheit fällt, kannst du denkbare nächste Schritte – sprich "Mikroziele" – in allen Lebensbereichen finden. Ernährung, Bewegung, Erholung, …


Lass es mich am Beispiel Schlaf verdeutlichen. Besserer Schlaf gilt als großer Hebel für bessere Gesundheit. Er stellt hier also das Makroziel dar. Viele unterschiedliche Schritte haben nun das Potenzial, uns ihm näher zu bringen. Keinen Kaffee nach 13:00, kein Handy im Bett, 10.000 Schritte am Tag, feste Bettgehzeiten und viele weitere.


Aus diesen Mikrozielen schnappst du dir diejenigen, die dir durchführbar erscheinen. Und selbst wenn die einzelnen Schritte unerheblich wirken. Indem du einen Fuß vor den anderen setzt stellen sich unweigerlich Fortschritte in Richtung deines Makroziels ein.


Mir hilft es außerdem, wenn ich mit Makro- und Mikrozielen mit der größten Wirkung anfange. Das sind die eingangs erwähnten "großen Brocken". Dinge wie Super-Foods und Fastenprotokolle zählen für mich nicht dazu. Ebensowenig vollständig auf Zucker oder Gluten zu verzichten – Menschen mit Zölliakie natürlich ausgenommen.


Mir leistet es mittlerweile gute Dienste, wenn ich diese "Nuancen" – die letzten fünf Prozent – erstmal ausblende. Meist sind sie nämlich kompliziert und teuer, bei vergleichsweise geringem Effekt. Ich sage mir dann einfach, dass ich mich später darum kümmere. Und zwar wenn ich die "großen Brocken" – die anderen 95 % – im Griff habe.


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Wer's darauf anlegt, kann sich auch mit „gesunden“ Lebensmitteln ins Food-Koma befördern.

Und dann ist da noch das Thema mit den Ausrutschern …


Wenn du nur ein bisschen wie ich bist, kennst du sie sicher auch; Momente, in denen ein Oreo zum nächsten führt. Und dann zu einer Packung.


Mein Plan dafür ist simpel: Ich schütze mich selbst, indem ich einfach keine "trigger-foods" zuhause habe.


Aber nicht so schnell:


Denn in mir schlummert auch ein kleiner MacGyver. Und so kann ich mich, wenn ich es darauf anlege, auch mit "gesunden" Lebensmitteln ins Food-Koma befördern. Nutrition-Nerd hin oder her.


Was früher Frosties mit Milch waren, sind jetzt eben Vollkorn-Cornflakes mit löffelweise Dattelzucker und einer Packung Pflanzendrink "Barista-Edition".


Erst eine Schüssel, dann zwei, dann fünf. So kommen auch schnell 2000 Kalorien zusammen. Abgerundet wird das Gelage dann mit einer Episode kultivierten Selbstverurteilens.


Und schließlich folgt das Versprechen an mich selbst, ab morgen wieder "clean" zu essen.


Falls auch du manchmal ähnliches erlebst, bist du also in guter Gesellschaft. Im Zuge meiner Tätigkeit durfte ich zudem lernen, dass es den allermeisten Menschen von Zeit zu Zeit so ergeht. Und weißt du was? Das ist auch nicht weiter schlimm.


Unserem Kopf tut es gut, gelegentlich die Zügel locker zu lassen. Meist ermöglichen es uns diese Ausnahmen überhaupt erst, auf lange Sicht die "gesunde" Wahl zu treffen. Und solange es bei "gelegentlich" bleibt, weiß auch unser Körper damit umzugehen.


Pro-Tipp: Häufen sich "Gelage", unbedingt das Essverhalten genauer unter die Lupe nehmen um Muster aufzudecken. Ein Ernährungstagebuch, eine Tracking-App oder eine professionelle Ernährungsberatung helfen dir dabei. So kann zum Beispiel eine emotionale Beziehung zum Essen aufgedeckt werden, genau wie ein Kalorien- oder Nährstoffdefizit in der alltäglichen Ernährung.

Den Begriff "Ausrutscher" benutze ich in diesem Zusammenhang nicht so gerne, da er für mich einen negativen Beigeschmack trägt. Immerhin will ich ja gut zu mir sein, statt mich zu verurteilen.


Für mich klingt "Ausnahme" daher passender. Oder warum nicht von einer gelegentliche Liebes-Affäre sprechen? Schließlich ist es doch schön, auch mal nur aus Spaß zu essen.


Welche Formulierung du nutzt, ist am Ende deine Sache. Eine wohlwollende Wortwahl kann jedoch einen echten Unterschied machen. Gerade weil wir selbst unsere stärksten Kritiker sind.


Gelingt es mir dadurch, dass mich mein Essverhalten nie mehr runter zieht? Nein! Oft genug tut es das trotzdem.


Dann helfe ich mir mit einem Blick auf die letzten Wochen und Monate. Ich erweitere sozusagen meine Fokus. Das lässt mich den Weg wertschätzen, den ich bereits gegangen bin und den heutigen Tag im richtigen Licht sehen.


Dadurch wird die statistische "Regression zur Mitte"* sichtbar. Was das heißt? Ich will versuchen es zu erklären:


Nehmen wir an, ich habe heute Abend mit Wein übertrieben und dazu eine Tafel Schokolade vernichtet. Vergangenen Mittwoch war mein Essverhalten dagegen vorbildlich. Mit einem grünen Smoothie am Morgen, einem gesunden Mealprep im Büro - wir nehmen an ich gehe noch ins Büro – und einer Buddha-Bowl am Abend.


Beide Tagen sind Ausreißer und spiegeln nicht mein tatsächliches Essverhalten wieder. Das ist nämlich weitaus ausgeglichener und pendelt sich irgendwo in der Mitte ein. Die Ausreißer gleichen sich auf Dauer gegenseitig aus.


Statistische Beobachtungen über einen langen Zeitraum sind allerdings kein Teil unserer menschlichen Intuition, weshalb wir die Regression zur Mitte meist übersehen. Wir bewerten perfekte Tage als realistischen Zielzustand und Tage, an denen wir gestrauchelt sind, als totales Versagen.


Es erfordert Übung, dieses Bewusstsein für einen breiten Fokus zu entwickeln. Aber es lohnt sich. Denn am Ende stehen mehr Lockerheit und Akzeptanz im Umgang mit uns selbst.


Was ich mit diesem Artikel zeigen will? Das auch ein Freak wie ich, ein Ernährungsberater mit Dattelzucker zu Hause – was ist das überhaupt? – die gleichen Probleme und Ängste hat, wie alle anderen Menschen.


Das Level steigt, die Probleme bleiben die gleichen:


Fortschritte unterbewerten, Ausrutscher überbewerten und mich mit den Bildern vergleichen, die Andere von sich auf Social Media zeichnen …


Wenn dann mal wieder das altbekannte Karussell zu drehen beginnt, in dem ich mir vorwerfe, nicht genug zu tun, helfen mir die einfachen Punkte aus diesem Artikel, vielleicht nur jedes zweite Mal zuzusteigen.

Hier sind sie nochmal in der Kurzfassung:




*Für mehr Informationen empfehle ich Daniel Kahnemanns Buch "Thinking, fast and slow". Darin erklärt er die Regression zur Mitte und viele weitere Prinzipien, sowie warum wir Menschen dazu neigen, diese zu übersehen.

 

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